Pfarrkirche

Der Ort Stammersdorf wurde zu Ende des 10. beziehungsweise zu Beginn des 11. Jahrhunderts gegründet, in der Epoche der sogenannten zweiten deutschen Besiedlung, nach der Vertreibung der Magyaren, nach der Schlacht auf dem Lechfeld (955).Sowohl die Namensgebung des Ortes (Gründername zuzüglich Bezeichnung Dorf), wie auch der Siedlungstypus des Straßenangerdorfes weisen auf die Gründungszeit des Ortes hin.

Stammersdorf lag damals in eben eroberten, jedoch stets gefährdeten Gebiet, da immer wieder aus dem Osten feindliche Scharen in das Land einfielen. Die Siedlung war ein kleines Wehrbauerndorf, die Häuser durchwegs aus Holz, die einzigen festen Bauten des Ortes, das heißt die Bauten aus Stein, waren eine Burg und eine Kirche. Während von der Festung nur mehr Teile erhalten geblieben sind, besteht heute noch fast der gesamte Baukomplex der romanischen Kirche, die im ausgehenden 12. Jahrhundert erbaut wurde.
Die Stammersdorfer Kirche

 

Die Kirche wurde als Wehrkirche auf einem Hügel außerhalb des Dorfes im Verband mit der Burg errich­tet, und diente zum Schutz der Ortsbewohner, die sich hier in kriegerischen Zeiten verteidigen konnten. Während in Gebieten, die kaum vom Feind gefährdet waren, stets bei den Kirchen die mächtigen Türme an der Westseite der Kirchen standen, wurde hier im Gebiet des heutigen östlichen Niederösterreich ein neuer Wehrkirchentypus entwickelt, der vor allem die Funktion einer Festung hatte.

Der Turm der Kirche wurde stets an die Ostseite, also feindseitig gebaut, wobei man in das Obergeschoss des Turmes nur mit Leitern gelangen konnte. Ein derartiger Kirchturm diente alleine für die Verteidigung und war außerdem Aussichtswarte, von der jegliche Feindbewegung schon früh gesehen und erkannt werden konnte. Der Kirchturm hatte eine ähnliche Funktion, wie der Berg­fried einer Burg. Das Untergeschoss des Turmes war das Chorquadrat der Kirche, also der Priesterraum, der vom Langhaus im Westen durch einen Lettner getrennt war. Im Osten schloss sich vor das Chorquadrat an den Turm eine im Grundriss halbrunde Apsis an, diese wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun­derts anlässlich der Vergrößerung des Chores abgetragen.

Westlich vom Turm befindet sich das Langhaus, wobei ein eingezogener Chorbogen das Langhaus mit dem Chorquadrat des Turmes verbindet. Das Langhaus ist eine mächtige, im Grundriss rechteckige Halle mit wehrhaften äußerst starken Außenmauern, sie war im Inneren ursprünglich durch eine Holzdecke flach gedeckt. Während der vielen Kriege, von denen Ostösterreich betroffen war, wurde oft die Kirche von Stammersdorf zerstört und immer wieder, wenn es die Zeit erlaubte, wieder hergestellt, wobei auch häufig bauliche Veränderungen erfolgten. Die romanische Chorturmkirche wurde in der Epoche der Spätgotik modernisiert, an Stelle der kleinen Apsis wurde in den Achtzigerjahren des 15. Jahrhunderts mit dem Bau eines Polygonalchores begonnen.

Die kunstvoll gearbeitete Abdeckung des TaufbeckensAnlässlich des Einmarsches des ungarischen Königs Mathias Corvinus (1484) wurde die Kirche zerstört, der Neubau des Chores war damals noch nicht vollen­det. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde die Kirche wieder hergestellt und Chor und wohl auch das Langhaus im nachgotischen Stil eingewölbt. Während die aufrechten Mauern des Chores für eine Wölbung bestimmt waren, waren die Mauern des Langhauses, trotz ihrer Stärke zu gering fundamentiert, sie hatten ursprünglich auch nur eine flache Holzdecke zu tragen. Als 1683 die Kirche von den Türken zerstört wurde, stürzte die Wölbung des Langhauses ein, der gewaltige Seitenschub drückte die Wände nach außen.

Nach dem Türkenkrieg verblieben die alten Wände des Langhauses, hätten aber bei einer allfälligen Neueinwölbung nicht mehr die Fähigkeit gehabt, ein neues Gewölbe zu tragen. Aus diesem Grund wurden innerhalb der Kirche mächtige Pfeiler errichtet, auf denen das neue Gewölbe, ein Tonnengewölbe mit Stich­kappen auflasten konnte. Es sind wohl im 19. Jahrhundert mehrere bauliche Veränderungen an der Kirche erfolgt, die aber keineswegs den ursprünglichen Wehrcharakter der spätromanischen Kirche verändert haben.

Dr. Wolf Mazakarini

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